Beruf & Familie – Ein Interview mit Dr. Stefan Wissel

Lebensphasenorientierte Personalpolitik – Hält diese Wortkomposition der Realität stand, Herr Dr. Wissel?

Die HWI pharma services GmbH in Rülzheim ist in den 30 Jahren seit Gründung stetig gewachsen. Als Dienstleister für die Pharma- und Biotech-Branche bietet die HWI in ihren Labors ein breites technologisches und analytisches Spektrum zur Entwicklung, Herstellung und Prüfung von Arzneimitteln mit kleinen und großen Molekülen an.

Die HWI ist für Mitarbeitende attraktiv und will es bleiben. Inzwischen sind es 150 an insgesamt drei Standorten. Dabei geht es schon lange nicht mehr nur um Gehalt, sondern auch um die Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Privatleben. In der Geschäftsleitung weiß man um die unterschiedlichsten Lebenssituationen und bietet entsprechende Arbeitsmodelle. Das ist aber noch längst nicht alles. In der Umsetzung ihrer familien- und lebensphasenorientierten Personalpolitik bedient sich die HWI eines strategischen Managementsystems und ist zertifiziert mit dem audit berufundfamilie. Auf die Fragen von Maria Farrenkopf, Wirtschaftsförderung des Landkreises Germersheim, antwortet Firmengründer und Geschäftsführer Dr. Stefan Wissel:

Herr Wissel, wie aufwändig war der Prozess bis zur ersten Auditierung durch berufundfamilie im Jahr 2009?

„Ich war schon immer der Überzeugung, dass der Erfolg eines Unternehmens auf zwei Säulen beruht: Das sind erstens der wirtschaftliche Erfolg und zweitens die Mitarbeitenden, die ihre Arbeit gerne tun und dies in einem Arbeitsumfeld zum Wohlfühlen.

Die Beratung und Begleitung durch berufundfamilie hat uns bei der Planung, Strukturierung und Umsetzung sehr geholfen. Alles, was wir ohnehin schon gemacht hatten sowie unsere vielen neuen Ideen haben über den gesteuerten Prozess nun einen Rahmen bekommen. Der Aufwand bis zu den Auditierungen war natürlich nicht unerheblich, hat sich letztendlich immer bezahlt gemacht. Inzwischen sind wir zum vierten Mal zertifiziert worden.“

Sie bieten Führungspositionen auch in Teilzeit an. Wie begegnen Sie den evtl. damit verbundenen Problemen wie nicht ständiger Erreichbarkeit?

„Das ist kein Problem, wenn es gut organisiert ist. Eine gewisse Stundenzahl ist natürlich erforderlich, aber diese kann flexibel gesteuert werden in Bezug auf Arbeitszeiten und Arbeitsorte. Wir stellen Diensthandys und Notebooks zur Verfügung sorgen so für die Erreichbarkeit. Eine vernünftige Vertretungsregelung haben wir bei allen Führungskräften, egal ob diese in Voll- oder Teilzeit tätig sind. So ist auch eine Rückkehr in eine Führungsposition auch nach einer Elternzeit möglich. Letztendlich kann und soll eine Führungskraft Verantwortung auch an das Team delegieren, das ist Teil unserer Führungskultur wird von den Mitarbeitenden sehr wertschätzend und motivierend wahrgenommen.“

Welche Gesundheitsaktionen kommen bei den Mitarbeitenden besonders gut an?   

„Wir haben viel ausprobiert: von Laufgruppen über Beachvolleyball bis hin zum Tennis in Kooperation mit einem hiesigen Verein, um einige Beispiele zu nennen. Einiges, aber nicht alles hat funktioniert. Insgesamt haben wir die Erfahrung gemacht, dass Sportangebote teamübergreifend verbindend wirken. In Hinblick auf Gesundheitsförderung und Nachhaltigkeit bieten wir jetzt auch Bike-Leasing in an. Das kommt bei den Mitarbeitenden sehr gut an.“

Wie erfahren und messen Sie die Zufriedenheit Ihrer Mitarbeitenden mit Ihnen als Arbeitgeber? Reichen da statistische Zahlen wie „Dauer der Betriebszugehörigkeit“ oder „Krankenstand“ aus?

„Der Krankenstand ist sicherlich nicht der richtige Maßstab für die Messung von Zufriedenheit. Gerade in und nach der Corona-Zeit waren und sind die Fehlzeiten hoch. Auch die Dauer der Betriebszugehörigkeit ist aus meiner Sicht eine überholte Maßzahl für Mitarbeitenden-Zufriedenheit. Gerade bei jungen Menschen beobachten wir, dass es ihnen heute schwerer fällt, eine Bindung zum Unternehmen aufzubauen. Entsprechend müssen wir investieren und das gelingt nur gemeinsam mit Führungskräften und Kollegen hier vor Ort im täglichen Miteinander.

Der beste Gradmesser für Zufriedenheit sind die persönlichen Gespräche, die ich ungeplant, aber doch regelmäßig beim Gang durchs Haus führe. Auch erhalten wir über unsere Jahres- und Entwicklungsgespräche Feedback, welches wiederum in unserer Personalpolitik einfließt.“

Erinnern Sie sich an eine besondere Geschichte, wie Sie einen Mitarbeitenden gewinnen oder halten konnten auf Basis Ihrer Angebote in Zusammenhang mit Ihrem audit berufundfamilie?

„Auch wenn ich jeden meiner Mitarbeitenden kenne, so kann ich nicht in deren Köpfe schauen und weiß nicht, welche Aspekte unserer Führungskultur, unserer Kommunikation oder unserer Angebote ihnen wichtig ist oder besonders gut gefällt. Natürlich haben wir auch Menschen, die unser Unternehmen verlassen. Und manchmal kommt der eine oder andere auch wieder zurück – darüber freue ich mich sehr.“

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Dr. Wissel!